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Antarktisches Rätsel gelöst? Marine Fossilien im Gebirge geben Anlass zur Besorgnis um zuküftigen Meeresspiegelanstieg

Geschrieben am . Veröffentlicht in Forschung & Umwelt.

Winzige marine Fossilien, die über die Oberfläche des Transantarktischen Gebirges verteilt sind, weisen auf die Möglichkeit eines beachtlichen Anstiegs des globalen Meeresspiegels als Folge der globalen Erwärmung hin. Dies besagt eine neue Studie, die sich einem alten Rätsel der Klimageschichte der Antarktis widmet.

Die Siriusformation, in der sich marine Fossilien finden, ist in der Nähe von Mt. Fleming in der Antarktis exponiert. Das Muster im Schnee hinter den Felsen zeigt die vorherrschende Windrichtung über dem ostantarktischen Eisschild. Bild: Reed Scherer, 1986, Northern Illinois University
Die Siriusformation, in der sich marine Fossilien finden, ist in der Nähe von Mt. Fleming in der Antarktis exponiert. Das Muster im Schnee hinter den Felsen zeigt die vorherrschende Windrichtung über dem ostantarktischen Eisschild. Bild: Reed Scherer, 1986, Northern Illinois University

Die Studie, die von dem Geologen Reed Scherer der Northern Illinois University geleitet wurde, legt nahe, dass die gewaltige ostantarktische Eiskappe in der Erdvergangenheit während früherer Warmzeiten instabil war. Das bedeutet, dass sie sich, verursacht durch künftigen Klimawandel, erheblich zurückziehen oder sogar teilweise kollabieren könnte. Der ostantarktische Eisschild ist die größte Eiskappe der Welt und spielt eine wichtige Rolle bei einem möglichen Anstieg des Meeresspiegels.

Den Beweis, sagen die Forscher, liefern mikroskopische Fossilien aus dem Ozean, auch bekannt als Diatomeen oder Kieselalgen. Seit Jahrzehnten haben Wissenschaftler eine hitzigen Debatte darüber geführt, wie die Diatomeen, die in den 80er Jahren zum ersten Mal entdeckten wurden, in die Sedimetschichten der Siriusformation eingebettet wurde, die heute entlang des Transantarktischen Gebirges exponiert sind.

Diese 3 Millionen Jahre alte fossile Kieselalgen (Thalassiosira vulnifica) aus dem Pliozän ist nur etwa 1/25stel Millimeter groß. Hier wurde sie mehr als 1000 Mal unter dem Mikrokop vergrößert. In der Erdgeschichte umfasst das Pliozän die Zeit von vor etwa 5,3 bis zu etwa 2,6 Millionen Jahren. Nach dem Pliozän folgte das Pleistozän, die Eiszeit, mit einem Wechsel von Warm- und Kaltzeiten. Bild: Reed Scherer, Northern Illinois University
Diese 3 Millionen Jahre alte fossile Kieselalgen (Thalassiosira vulnifica) aus dem Pliozän ist nur etwa 1/25stel Millimeter groß. Hier wurde sie mehr als 1000 Mal unter dem Mikrokop vergrößert. In der Erdgeschichte umfasst das Pliozän die Zeit von vor etwa 5,3 bis zu etwa 2,6 Millionen Jahren. Nach dem Pliozän folgte das Pleistozän, die Eiszeit, mit einem Wechsel von Warm- und Kaltzeiten. Bild: Reed Scherer, Northern Illinois University

Eine Gruppe von Wissenschaftlern argumentiert, dass die Diatomeen sich nach dem Rückgang des Eises zunächst in marinen Becken sammelten und später, nachdem es viel kälter war, durch die wachsenden Gletscher bis zu den Bergen transportiert wurden. Diese Interpretation legt einen dramatischen Rückgang des Eises während der Warmzeiten des Pliozäns vor 3 bis 4,5 Millionen Jahren nahe. Andere Wissenschaftler argumentieren, dass die Eisdecke zumindestens in den letzten 5 Millionen Jahren stabil war und dass die Diatomeen durch den Wind transportiert wurden und sich auf den ältere Sedimenten ablagerten.

Eine Karte der Antarktis zeigt in rot die exponierten Bereichen der Siriusformation, die die Diatomeen enthalten, entlang des Transantarktische Gebirges. Die Gebiete liegen im Wisconsin Gebirge, den Dronning-Maud-Bergen und im Süden des Victoria Lands. Bild: NASA, Wiki Commons
Eine Karte der Antarktis zeigt in rot die exponierten Bereichen der Siriusformation, die die Diatomeen enthalten, entlang des Transantarktische Gebirges. Die Gebiete liegen im Wisconsin Gebirge, den Dronning-Maud-Bergen und im Süden des Victoria Lands. Bild: NASA, Wiki Commons

Die neue Studie, die in der Zeitschrift Nature veröffentlicht wurde, legt nahe, dass beide Seiten in Teilen Recht haben – die Eiskappe hat sich zurückgezogen, aber die Kieselalgen wurden vom Wind zu den Bergen transportiert.

Mit Hilfe von komplizierten Eis- und Klimamodellen fanden Scherer und seine Kollegen, dass die Eiskappe sich während des Pliozän abwechselnd zurückzog und vorstieß, dass jedoch der Rückgang während der Warmzeiten nicht so drastisch war, wie einige Wissenschaftler früher annahmen. Der Rückgang war jedoch groß genug, um eisfreie Meeresbuchten im Aurora- und Wilkes-Becken zu schaffen, mit guten Bedingungen für die Produktion grosser Mengen Kieselalgen. Durch den Rückzug des Eises, wurde das auf dem Land lastende Gewicht reduziert. Das zuvor unter dem Meeresspiegel liegende Land, das übersät war mit Kieselalgen, hob sich während der nächsten mehreren tausend Jahre. Zyklonische Winde wirbelten zu der Zeit Schwaden von Kieselalgen in die Luft, die sich über das Transantarktische Gebirge verteilten.

Eine mehr als 3000 Mal vergrößerte Elektronen-Mikroskop Aufnahme der kieselalgenreichen Sedimente zeigt die feinen Strukturen, die den Transport als Staub mit dem Wind förderten. Bild: Reed Scherer, Northern Illinois University.
Eine mehr als 3000 Mal vergrößerte Elektronen-Mikroskop Aufnahme der kieselalgenreichen Sedimente zeigt die feinen Strukturen, die den Transport als Staub mit dem Wind förderten. Bild: Reed Scherer, Northern Illinois University.

„Die Modelle zeigen, dass der ostantarktische Eisschild sich während des Pliozän rund 300 km ins Innere der Antarktis zurückzog“, sagte Scherer, und fügte hinzu, dass der größte Teil des westantarktischen Eisschilds ebenfalls verschwand. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass die Sirius-Kieselalgen windverfrachtet wurden, aber dass sie aus Bereichen reduzierten Eises im Osten der Antarktis kamen, wo grosse diatomeen-reiche Gebiete dem Wind ausgesetzt waren.“ Die antarktische Eiskappe speichert den grössten Teil des Süsswassers auf der Erde und ein umfangreiches Abschmelzen und Rückzug des Eises in Zukunft würde dazu führen, dass der Meeresspiegel ansteigt, mit verheerenden Folgen für die Küstenregionen der Erde. „Während bestimmter Warmperioden des Pliozän, war der Meeresspiegel vermutlich bis zu 75 Meter höher als heute“, sagte Scherer. „Der Anstieg des atmosphärischen Kohlendioxids durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe hat zu einer aktuellen Konzentration von 400 ppm (Teile pro Million) geführt und damit zum ersten Mal die Konzentration während der wärmen Phasen des Pliozän erreicht“, fügte er hinzu. „Dies macht die alte Diskussion, ob die Eiskappe damals kleiner war, wichtiger als je zuvor.“

Wissenschaftler und Erstautor der Studie Reed Scherer.
Wissenschaftler und Erstautor der Studie Reed Scherer.

„Die Frage ist immer, wie schnell wird der Meeresspiegel ansteigen. Wahrscheinlich wird es mehrere hundert Jahre dauern bis wir einen Meersspiegel erreichen, der mit dem des Pliozän vergleichbar ist, aber wir haben bereits das Problem des fortschreitenden Meeresspiegelanstiegs“, sagte Scherer. „Die Modelle gehen davon aus, dass wir bei der Verbrennung fossiler Brennstoffe mit dem augenblicklichen Tempo forfahren. Wenn wir das reduzierten, könnte der Rückgang des Eises erheblich verzögert werden. Wir hätten immer noch ein Problem, aber wir könnten den Anstieg des Meeresspiegels reduzieren und verlangsamen.“ Unsere Forschung ist die erste veröffentlichte Studie zu den Sirius Fossilien, die Daten präsentiert, die in direktem Bezug zur Größe des ostantarktischen Eisschilds während des Pliozän stehen. „Diese neueste Arbeit, zusammen mit anderen neueren Eismodell-Studien von DeConto und Pollard, zeigt eindeutig, die Sensitivität des heutigen Eises in Bezug auf Erwärmung“, sagte Scherer. „Kein Modell ist jemals perfekt, aber die Wissenschaftler benutzen anspruchsvolle Physik und die neuesten Daten, um Atmosphäremodelle zu schaffen, die wirklich auf dem neuesten Stand der Technik sind, und einen Blick in die Vergangenheit und Zukunft erlauben.“

Richard Alley, Mitverfasser der Studie und Klimaforscher, kommentierte: „Dies ist ein weiteres Stück in einem Puzzle, dass die Wissenschaftsgemeinschaft rasch zusammenträgt, und es scheint zu zeigen, dass das Eis empfindlicher auf Erwärmungen reagiert als wir gehofft hatten. Wenn die Menschen das Klima weiterhin erwärmen, überantworten wir uns einem beträchtlichen und vielleicht schnellen Anstieg des Meeresspiegels, der uns teuer zu stehen kommt. Kein Stück des Puzzles allein zeigt dies, aber dadurch wie sie zusammen passen, wird das Bild immer klarer.“

Quelle: Northern Illinois University