Skip to main content

Forscher heben den Eisschleier

Geschrieben von Heiner Kubny am . Veröffentlicht in Forschung & Umwelt.

Der antarktische Kontinent wird zu rund 98 Prozent von Eis bedeckt, mit einer durchschnittlichen Dicke von 3 Kilometer. Dies verhinderte bisher eine adäquate und detaillierte Kartographierung des Untergrundes. Ein neuer Datensatz namens Bedmap2 ergibt nun ein hochaufgelöstes Bild des Eises und was darunter verborgen liegt. Es ist eine grundlegend verbesserte Version des ursprünglichen, 10 Jahre alten Datensatzes Bedmap1. Unter der Führung der British Antarctic Survey (BAS) erstellten Forscher mit Hilfe von geophysikalischen Daten, die über Jahrzehnte gesammelt worden waren, dieses neue Bild des eisigen Kontinents.

Der antarktische Eisschild bedeckt 98% des Kontinents und lässt nur einige wenige hohe Berge herausschauen, sogenannte Nunataks.
Der antarktische Eisschild bedeckt 98% des Kontinents und lässt nur einige wenige hohe Berge herausschauen, sogenannte Nunataks.

Die Antarktis spielt eine wichtige Rolle im globalen Klimasystem, vom Antrieb der Meeresströmungen bis zum Anstieg der Meeresspiegel. Forscher nutzen eine Reihe von Methoden, um zu verstehen, wie die Antarktis auf den Klimawandel reagieren wird. Aber limitierte Informationen über die Eisdicke und was unter dem Eis liegt, machen diese Aufgabe zu einer besonderen Herausforderung. Dank der Arbeit von Forscher, angeführt von der BAS, haben nun Wissenschaftler aber eine neue Karte und Daten in einer bisher ungekannten Auflösung erhalten. Die Arbeit wurde nun in der renommierten Fachzeitschrift «The Cryosphere» veröffentlicht.

Hebt man den Eispanzer, kommt eine ganz andere Welt zu Tage. Hohe Gebirgszüge, tiefe Täler und weite Ebenen zeichnen den antarktischen Kontinenten aus.
Hebt man den Eispanzer, kommt eine ganz andere Welt zu Tage. Hohe Gebirgszüge, tiefe Täler und weite Ebenen zeichnen den antarktischen Kontinenten aus.

 

Eine neue Karte

Der neue Datensatz mit dem Namen Bedmap2 ist, wie schon sein Vorgänger Bedmap1, eine Erhebung von 3 Datensätzen: Oberflächenerhebung, Eisdicke und Untergrundtopographie. Im Verlauf des letzten 10 Jahre wurden viele antarktische Vermessungen durchgeführt, die die Menge an verfügbaren Daten enorm vergrössert hatten. Forscher nutzten die Daten von Satelliten, Flugzeugen und Bodenuntersuchungen, um ein Datenprodukt mit höherer Auflösung, grösserer Reichweite und verbesserter Genauigkeit zu erstellen. Sowohl Bedmap1 wie auch Bedmap2 sind als Rasternetz ausgelegt, welches den gesamten Kontinenten bedeckt. Das Raster in Bedmap2 ist nun jedoch noch enger gesteckt und zeigt viele Details auf und unter dem Eis, die zu klein waren und im originalen Datensatz nicht sichtbar waren. Die Millionen von zusätzlichen Datenpunkten in Bedmap2 decken auch einen grösseren Prozentsatz von Antarktika ab. Zusätzlich hat der extensive Gebrauch von GPS Daten in den neuesten Untersuchungen die Genauigkeit des neuen Datensatzes stark verbessert. Diese Verbesserungen in Auflösung, Abdeckung und Genauigkeit werden zu genaueren Berechnungen über das Eisvolumen und den potentiellen Anteil am Meeresspiegelanstieg führen.

Das Gesamteisvolumen und der Anteil am Meeresspiegelanstieg bleiben ähnlich den Kalkulationen mit dem ursprünglichen Datensatz, aber die durchschnittliche Untergrundtiefe, der tiefste Punkt und Anhaltswerte über die Eisdicke haben sich verbessert. Peter Fretwell, Wissenschaftler bei BAS und Hauptautor der Studie, erklärt, dass der neue Datensatz unsere Kenntnisse über die subglaziale Umgebung verstärken wird und für zukünftige Forschungen über die antarktische Eiskappe sehr nützlich sein wird. «Es wird ein wichtiges Hilfsmittel für die nächste Generation von Eisdeckenmodellierer, physikalischen Ozeanographen und Strukturgeologen sein», sagt Fretwell weiter.

Vergleich zwischen dem bisherigen Bedmap1 und dem neuen Bedmap2. Klar ersichtlich ist der enorme Detailgrad von Bedmap2. Dies erlaubt Forschern einen besseren und realistischeren Blick auf das Verhalten des darüber liegenden Eispanzers in der Zukunft.
Vergleich zwischen dem bisherigen Bedmap1 und dem neuen Bedmap2. Klar ersichtlich ist der enorme Detailgrad von Bedmap2. Dies erlaubt Forschern einen besseren und realistischeren Blick auf das Verhalten des darüber liegenden Eispanzers in der Zukunft.

 

Ein verbessertes Modell

Die Modellierung des Eisschildes wird extensiv die Daten von Bedmap2 nutzen. Denn die Eisschilde sind allesamt dicke, kuppelartig geformte Eisformationen, die weite Teile von Land bedecken, einer auf Grönland, der andere auf der Antarktis. «Eisschilder wachsen, weil Schnee sich ansammelt und, wie Honig, der auf einen Teller geleert wird, nach aussen sich ausbreitet und ausdünnt nur durch sein Gewicht», erklärt Sophie Nowicki, Eisschildforscherin bei der NASA in Greenbelt, Md. Eisschildforscher benutzen Computermodelle, um zu simulieren, wie die Schilder auf Veränderungen der Meeres- und Lufttemperaturen reagieren werden. Ein Vorteil dieser Simulationen ist es, dass sie eine Reihe von verschiedenen Klimaszenarien testen können. Aber die Modelle sind limitiert durch die Genauigkeit der Daten über das Eisvolumen und das darunterliegende Gelände. «Um eine genaue Simulation durchführen zu können, wie die Eischilde auf sich ändernde Umweltbedingungen reagieren, müssen wir so viel wie möglich über die Gestalt und Struktur des Geländes unter dem Eis wissen... je genauer, desto besser», meint Michael Studinger, Projektleiter der Mission IceBridge bei der NASA. Zu wissen, wie der Untergrund aussieht, ist wichtig für die Modellierung, da die Merkmale des Bodens die Form des Eises bestimmen und seine Bewegungen beeinflussen. Eis fliesst schneller an einem Abhang, während Steigungen und ein unebenes Terrain seinen Fluss bremsen oder sogar stoppen. «Die Form des Untergrundes ist die wichtigste Unbekannte und bestimmt, wie das Eis fliesst», erklärt Nowicki. «Man kann beeinflussen, wie Honig sich auf eine Teller ausbreitet, in dem man einfach die Lage des Tellers verändert.» Die stark verbesserten Daten über den Untergrund bei Bedmap2 sollten die nötige Detailstufe liefern, um realistischere Modelle erstellen zu können.

Die Flugrouten von Mission IceBridge, die von Punta Arenas (Chile) aus über die Westantarktis unternommen wurden. Aber auch von der US-Station McMurdo aus wurden Teile der Antarktis im Rahmen der Mission vermessen.
Die Flugrouten von Mission IceBridge, die von Punta Arenas (Chile) aus über die Westantarktis unternommen wurden. Aber auch von der US-Station McMurdo aus wurden Teile der Antarktis im Rahmen der Mission vermessen.

 

Grundverschieden Daten

Um eine solch detaillierte Karte zu erstellen, mussten Forscher riesige Mengen an Daten aus verschiedensten Quellen sammeln und analysieren. Die NASA lieferte dabei signifikante Mengen an Daten über die Oberflächenerhebungen, die Grenzen der Eisschelfe und die Eisdicke. Beispielsweise machten die Messungen von drei Flugeinsätzen der Mission IceBridge rund 12 Prozent der 25 Millionen Datenpunkte über die Eisdicke aus, die in über 200 Lufteinsätzen in den letzten 50 Jahren gesammelt worden waren. Die Mission IceBridge nutzt ein eisdurchdringendes Gerät MCoRDS (Multichannel Coherent Radar Depth Sounder), um Daten über die Eisdicke und die subglaziale Topographie zu sammeln. MCoRDS, welches vom Zentrum für Fernerkundung der Eiskappen der Universität von Kansas aus gesteuert wird, schickt Radarsignale hinunter durch das Eis und misst die Zeit und den Winkel der zurückfallenden Wellen, um Bilder der Eisoberfläche, der inneren Struktur und des Untergrundes erstellen zu können. Die Forscher nutzten auch eine grosse Menge an Daten des ICE-Satelliten, um eine Oberflächenerhebungsraster in schwer zu messenden Gebieten zu erstellen. Satellitengestützte Radaraltimetrie, die einen Grossteil von Bedmap2 ausmacht, funktioniert am Besten in flachen Gebieten. Bergige und steile Areale benötigen andere Methoden und die Daten des Laseraltimeters von ICESat erlaubten den Wissenschaftlern, eine genaue Karte dieser Regionen zu erstellen. Mit Hilfe der Altimetriedaten von IceBridge bestätigte die Genauigkeit der kombinierten Oberflächendatensätze. IceBridge spielte auch eine wichtige Rolle bei der Erhebung von Daten in Teilen der Antarktis, wo bisher keine oder nur wenige Messungen unternommen worden waren. Ein solches Gebiet ist der Recovery Eisstrom, der jetzt neu auf den Karten erscheinen wird.

Die Daten, die gesammelt wurden, werden aber von der NASA nicht nur für das Projekt Bedmap2 genutzt, sondern wurden für alle Forscher frei verfügbar gemacht, ein positives Zeichen in der heutigen Zeit. «Wir hoffen, dass andere Partner auch diesen Weg beschreiten werden», meint Fretwell. Solche Radardaten der Antarktis zu sammeln ist eine teure Angelegenheit, was dazu geführt hat, dass einige Forscher verständlicherweise sehr protektionistisch geworden sind. Das könnte sich jedoch ändern, da immer mehr Forscher ihre Daten frei zugänglich machen. Dazu meint Michael Studinger abschliessend: «Immer mehr Leute in der wissenschaftlichen Gemeinschaft erkennen den gewaltigen Wert von frei verfügbaren Daten.» Bedmap2 scheint ihm Recht zu geben.

Quelle: George Hale, NASA's Goddard Space Flight Center, Greenbelt Md.

www.nasa.gov